Veit Warbeck „Die schöne Magelone“
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Veit Warbecks Prosaroman „Die Schöne Magelona“ ist die bearbeitende Übersetzung einer französischen Vorlage („Ystoire du vaillant chevalier Pierre filz du conte de provence et de la belle Maguelonne“) aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, deren Verfasser:in unbekannt ist. Warbeck, der in Wittenberg studiert hatte und im Dienst der kursächsischen Fürsten stand, übersetzte den Roman 1527 und widmete ihn dem Prinzen und Thronfolger Johann Friedrich, dessen Französischlehrer er zu Beginn seiner Dienstzeit gewesen war. Das Widmungsexemplar ist ebenso erhalten wie die Vorlage, an der erkennbar wird, dass der Roman nicht nur inhaltlich von Interesse gewesen sein dürfte, sondern vermutlich darüber hinaus dem Erlernen des Französischen gedient hat. Da sich der Text mit den Gefahren von Affekten, insbesondere der Liebe, sowie mit höfischen Verhaltensnormen beschäftigt, dürfte er als Lehrbuch in mehrfacher Hinsicht nützlich gewesen sein. Darüber hinaus jedoch verbindet die Liebesgeschichte von Peter und Magelone eine Vielzahl von Erzählstoffen und beinhaltet die Gründungssage des Bischofssitzes Maguelone in der Nähe von Montpellier, sodass sie auch für städtische Leser:innen interessant war. An diesem Roman lässt sich folglich erkennen, wie um 1500 der Hof als Produktionsort von Literatur allmählich Konkurrenz durch die Stadt erhält und wie damit zugleich städtisch-reformatorische Gedanken den Blick auf den Text verändern (s. interpretatorische Schlussfrage). Der Erstdruck in Augsburg 1535 stellt den Beginn einer lang andauernden Rezeption dieser Geschichte bis weit ins 19. Jahrhundert hinein dar.
Textgrundlage
Veit Warbeck: Magelona, in: Romane des 15. und 16. Jahrhunderts. Nach den Erstdrucken mit sämtlichen Holzschnitten, hg. v. Jan-Dirk Müller, Frankfurt am Main: Deutscher Klassiker Verlag 1990, S. 587-677.
Veit Warbeck: Die schöne Magelona. In der Fassung des Buchs der Liebe (1587) mit 15 Holzschnitten, hg. v. Hans-Gert Roloff, Stuttgart: Reclam 1969.
Mit der „Magelone“ haben Sie es mit einem Roman zu tun, an dem man sehr gut erkennen kann, wie Handlungsinhalte und Themen neben ihrem höfischen Rezeptionsort auch ihr Publikum im städtischen Bereich finden.
Lesen Sie zum Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit den folgenden Beitrag:
Müller, Jan-Dirk: Formen literarischer Kommunikation im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, in: Die Literatur im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Bd.1, hg. v. Werner Röcke/Marina Münkler, München u.a. 2004, S. 21-53.
Die „Magelone“ gilt als hochgradig hybrider Text, weil er auf viele andere Texte verschiedener Gattungen und auf Motive mehrerer Erzählungen zurückgreift (z.B. wird eine Sequenz aus ‚1001 Nacht‘ aufgegriffen). Bitte informieren Sie sich mithilfe des folgenden Artikels über den Text, seine Quelle, intertextuelle Bezüge und seine Rezeption:
Steinhoff, Hans-Hugo: Magelone. In: Enzyklopädie des Märchens 8 (1996), Sp. 1414–1418.
Lesen Sie nun „Die schöne Magelone“ vollständig. Steinhoff fächert eine Reihe von Aspekten auf, die in den Text eingegangen sind. Suchen Sie sich zwei Aspekte aus, auf die Sie beim Lesen des Romans besonders achten möchten.
Überlegen Sie, wie der Text aufgebaut ist.
- Wie verteilt der Text den Fokus auf die beiden Hauptfiguren, die relativ früh im Roman voneinander getrennt werden?
- Welche Zeit- und Raumangaben lassen sich finden?
Halten Sie Ihre Beobachtungen in etwa 1000 Wörtern fest.
Normen, Werte, Regeln und höfische Konventionen spielen eine erhebliche Rolle bei der Ausrichtung der Figuren und ihren Handlungen. Dies ist auch bei der „Magelone“ so. Allerdings lässt sich feststellen, dass diese Ideale – vor allem im ersten Teil des Romans – nun teilweise hinterfragt bzw. als hinderlich präsentiert werden. Inwiefern und an welchen Stellen dies geschieht, soll im Folgenden herausgearbeitet werden.
Beachten Sie beim Beantworten der nachfolgenden Fragen insbesondere die folgenden Kapitel des Romans: „Wie eins mals ein Turnier geschach“ bis „Wie vil Rennen vnd Stechen wurden gehalten“ (S. 3-13) – „Wie herr Friderich von der kron genannt hinweg zoch“ bis „Wie Peter die schoene Magelona des Königs Tochter hinweg fueret“ (S. 32-42).
Hauptfiguren und Handlungsmomente
Diskutieren Sie in der Gruppe:
- Auf welche unterschiedliche Art und Weise werden die Hauptfiguren eingeführt?
- Welche Handlungsmomente sind Ihnen beim Lesen des Textes aufgefallen, die aus heutiger Sicht keine Kohärenz oder zumindest wenig Plausibilität aufweisen? Warum beispielsweise flüchten die beiden Liebenden überhaupt? Welcher Grund wird genannt und wie plausibel wird diese Entscheidung gemacht?
- Wozu dienen die Abenteuer, die Peter auf seiner Irrfahrt erlebt? Können Sie einen Unterschied zu den ‚âventiuren‘ der Protagonisten in den mittelalterlichen Versromanen feststellen?
Bitte informieren Sie sich dazu über den Begriff ‚aventiure‘ im „Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft“.
Liebe hat in vormoderner höfischer Literatur stets einen funktionalen, gesellschaftlichen und damit öffentlichen Charakter. Die Flucht Peters und Magelones allerdings könnte als Versuch verstanden werden, die gemeinsame Liebe in einen privaten ‚Raum‘ zu überführen und vom höfischen Geschehen abzugrenzen. Damit hätte man es in diesem Prosaroman mit einer veränderten Liebeskonzeption zu tun. Gleichwohl zeigt sich, dass die Protagonist:innen ihre Triebe unter Kontrolle haben, wie es gesellschaftlich von ihnen erwartet wird. Wie also sieht ihre Liebe aus und wie unterscheidet sie sich von einer höfischen ‚minne‘ des Hochmittelalters?
Beachten Sie beim Beantworten der nachfolgenden Fragen insbesondere die folgenden Kapitel des Romans: „Wie vil Rennen vnd Stechen gehalten wurden“ bis „Wie der Ritter zu der schoenen Magelona kam“ (S. 10-32) – „Wie die schoen Magelona entschlieff“ (S. 44-45) – „Wie der Peter in dem Spital war in der Insel“ bis zum Ende (S. 70-81).
Diskutieren Sie in der Gruppe:
Entstehung der Liebe und ihre Ursachen
Wie stellt der Text die Entstehung der Liebe und ihre Ursachen dar?
Darstellung der Liebe von Peter und Magelone
Wie wird die Liebe von Peter und Magelone dargestellt? Inwiefern handelt es sich Ihrer Meinung nach um eine private Beziehung und woran ließe sich das festmachen?
Verhältnis zwischen Peter und Magelone
Hat sich, nachdem sie sich wiedergefunden haben, an dem Verhältnis zwischen Peter und Magelone etwas verändert oder knüpfen sie nahtlos an ihre frühere ‚Beziehung‘ an?
Was unterscheidet die Präsentation des Liebesverhältnisses zwischen Peter und Magelone von den Inszenierungen der Liebe zwischen Figuren in den bereits von Ihnen bearbeiteten Erzählungen? Inwiefern/in welchen Aspekten schließt sich der Text zugleich auch an den mittelalterlichen höfischen Liebesdiskurs an?
Warum haben Peter und Magelone ihre Liebe nicht von Anfang an öffentlich gemacht? Immerhin sind sie beide adlig.
Erläutern Sie Ihre Gedanken in einem Text von maximal 500 Wörtern.
Gefühle werden in den Prosaromanen des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit recht häufig durch längere Figurenrede dramatisch in Szene gesetzt. Über diese interne Fokalisierung hinaus vermitteln auch die Erzählinstanzen Gefühlszustände der Figuren durch Beschreibung von Handlung. Seit mehreren Jahren ist die Emotionsforschung ein fester Bestandteil germanistischer Literaturwissenschaft, wozu auch die Betrachtung von Veränderungen der sozialen Codierung im Laufe der Zeit gehört. Trauer, Wut, Liebe usw. werden zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich codiert.
Lesen Sie hierzu bitte: Koch, Elke: Emotionsforschung, in: Ackermann, Christiane/Egerding, Michael: Literatur- und Kulturtheorien in der Germanistischen Mediävistik. Ein Handbuch, Berlin/Boston 2015, S. 67-101.
Beachten Sie bei der Beantwortung der nachfolgenden Fragen insbesondere die folgenden Kapitel des Romans: „Wie der Ritter zu der schoenen Magelona kam“ (S. 26-32) – „Wie Peter dem Vogel nachfolget“ und „Wie die schoene Magelona lag und schlieff auff des Peters Mantel“ (S. 45-48 und S. 50-52) – „Wie der Peter in dem Spital war in der Insel“ (S. 70-81).
Diskutieren Sie in der Gruppe:
- Durch welche Worte und Gesten werden Emotionen ausgedrückt?
- Wie beschreibt der Erzähler den emotionalen Zustand der Figuren?
- Wie wird mit den Emotionen umgegangen?
- Wie verarbeiten Peter und Magelone unabhängig voneinander beispielsweise ihren Trennungsschmerz?