IV. Christian Dietrich Grabbes „Napoleon oder Die hundert Tage“
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Historische Kontextualisierung 1800-1900
I. Friedrich Schillers „Maria Stuart“
II. Johann Wolfgang Goethes „Faust I/II“
III. Heinrich von Kleists „Die Hermannsschlacht“
IV. Christian Dietrich Grabbes „Napoleon oder Die hundert Tage“
VI. Johann Nestroys „Freiheit in Krähwinkel“
VII. Friedrich Hebbels „Maria Magdalena“
VIII. Gerhart Hauptmanns „Der Biberpelz“
IX. Arthur Schnitzlers „Reigen“
Das Gesamtkunstwerk im 19. Jahrhundert
Drama 1800-1900: Kursübergreifende große Schreibaufgaben
„[W]o immer die Pioniere der modernen Literatur zu neuen Ufern vorstießen, fanden sie im Sand die Fußspur schon vor, deren leicht schwankendes Schrittmaß ihnen signalisierte: Grabbe was here“ (Jauslin 1990, S. 47). So schreibt Kurt Jauslin über Christian Dietrich Grabbe, dessen literarisches Werk seinerzeit zwar wenig wertgeschätzt, aber im 20. Jahrhundert von Vertreter:innen des Expressionismus’ und Surrealismus’ wiederentdeckt bzw. vereinnahmt wurde. Bertolt Brecht führte ihn in Abgrenzung zum expressionistischen Theater als Wegbereiter des epischen Theaters an. Grabbes Werk wurde in vielerlei Weise gedeutet, so auch vom Reichsdramaturgen Rainer Schlösser, der die erst 1934 uraufgeführte „Hermannsschlacht“ (1835-1836) Grabbes im nationalsozialistischen Sinne inszenierte (vgl. Löb 1996, S. 129).
Grabbes Dramen wurden, mit Ausnahme des „Doan Juan und Faust“ (1829), zu seinen Lebzeiten nicht aufgeführt. Das ist primär dadurch zu erklären, dass Grabbe mit der Konzeption seiner Dramen die technischen Möglichkeiten der damaligen Bühnen überforderte. Die recht häufig auftauchenden Massenszenen entsprechen eher einer „filmischen Optik“ (Wiemer 1996, S. 33). Dies ist auch bei dem größten Geschichtsdrama Grabbes „Napoleon oder Die hundert Tage“ zu beobachten, welches erst 64 Jahre später in Frankfurt am Main uraufgeführt werden konnte. Im Grunde konnten Regieanweisungen, wie sie im „Napoleon-Drama“ zu finden sind, erst in Kriegsfilmen des 20. Jahrhunderts umgesetzt werden (vgl. ebd., S. 37).
Im Vorwort zu diesem Drama spricht Grabbe davon, es im Jahr 1830 vor der Julirevolution fertiggestellt zu haben. Allerdings nahm er noch kleine Änderungen vor, sodass das Stück erst 1831 gedruckt werden konnte. Die Dialoge sind fiktiv, aber Grabbe hat die historischen Ereignisse des Stücks zuvor ausführlich recherchiert. Herangezogen hat er zu diesem Zweck zum Beispiel Karl Venturinis „Chronik des neunzehnten Jahrhunderts“ (1807-1841). Inhaltlich beginnt das Stück 1815 mit der Rückkehr Napoleons von Elba nach Paris, thematisiert den Sieg über die preußisch-englische Allianz bei Ligny und endet mit der Niederlage bei Waterloo. Die gesamte Handlung erstreckt sich über 25 Szenen und 20 verschiedene Schauplätze mit einem Umfang von ca. 170 Sprecherrollen. Dabei tritt Napoleon nur in sieben Szenen selbst auf. Als Grundlage greifen Sie bitte auf den Text aus der „Historisch-kritischen Gesamtausgabe“ (1963) zurück, den Sie im 2. Band finden.
Karima Lanius
Konzentrieren Sie sich nach Ihrer ersten Lektüre auf das Personal und setzen Sie es in Beziehung zum Personenverzeichnis eines klassizistischen Historiendramas wie „Maria Stuart“.
Dramatis personae
Vergleichen Sie das Figurenverzeichnis von „Napoleon oder Die hundert Tage“ mit dem Historiendrama „Maria Stuart“ von Friedrich Schiller. Was fällt Ihnen auf?
Figurenrede und Sprache des Stücks
Vergleichen Sie die Redeanteile der namensgebenden Protagonisten Maria Stuart und Napoleon miteinander. Fällt Ihnen im Vergleich etwas auf? Vergleichen Sie auch die Sprachgestaltung der beiden Stücke. Wie unterscheiden sie sich?
Gattungsbestimmung
Rekonstruieren Sie zunächst gedanklich nochmals für sich die fünf Akte des Stückes inhaltlich. Nehmen Sie anschließend schriftlich Stellung dazu, ob es sich bei Grabbes Stück eigentlich um eine „Tragödie“ handelt. Greifen Sie in Ihrer Argumentation auf die Ausführungen zur Einheitlichkeit der Handlung und zum Wesen des Tragischen aus der aristotelischen „Poetik“ zurück. Schreiben Sie einen Text von ca. 500 Wörtern.
Drama und Bühne
Informieren Sie sich über die Theaterpraxis des 19. Jahrhunderts und überlegen Sie, weshalb „Napoleon oder die hundert Tage“ die Bühne seiner Zeit, bildlich gesprochen, gesprengt hätte. Welche besonderen Herausforderungen stellte das Stück wohl für die Inszenierung auf einer Theaterbühne (des 19. Jahrhunderts) dar? Welche beiden Techniken [Botenbericht/Teichoskopie] setzt Grabbe insbesondere im 4. und 5. Akt ein, um darauf zu reagieren? Welche Effekte haben die Techniken jeweils?
Drama und Geschichte
Als Geschichtsdrama thematisiert das Stück auch den Gang des Geschichtsverlaufs. Diskutieren Sie in Ihrer Gruppe, was im Stück als die treibenden Kräfte der Geschichte (in einem doppelten Sinn als Plot und als geschichtlicher Prozess) vorgeführt wird. Sind es die großen politischen Führungsindividuen (König, Napoleon, Blücher) oder kollektive Entitäten (das Volk, die Armeen)? Schreiben Sie einen kurzen argumentativen Text (ca. 1000 Wörter).