Stimmen zur Literaturgeschichte

Hier versammeln wir einige Statements von Literaturwissenschaftler:innen, die zeigen, wie unterschiedlich Stimmen zur Literaturgeschichte sein können. Wir laden Sie dazu ein, auch Ihre eigene Stimme hier einzufügen.

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Weitere Stimmen zur Literaturgeschichte

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Das Transkript der Stimmen zur Literaturgeschichte

An dieser Stelle finden Sie die transkribierte Version unserer Stimmen zur Literaturgeschichte.

literaturgeschichten.de: Wir möchten die Diskussion zur Frage „Wozu Literaturgeschichte“ für weitere Stimmen aus dem Fach öffnen. Es scheint heute kaum mehr möglich, in einer literaturgeschichtlichen Darstellung die Breite der literaturhistorischen Überlieferung in ihren gesellschaftlichen, soziopolitischen und kulturellen Kontexten in Beziehung zu setzen mit dem Versuch, die Bedeutsamkeit und das Wirkungspotenzial einzelner Texte oder Autor:innen zu vermitteln.

Achim Geisenhanslüke: „Den Zusammenhang wirklich von den Anfängen bis in die Gegenwart darzustellen, das ist, glaube ich, das, was nicht mehr funktioniert, und jeder weiß auch, dass das nicht mehr funktioniert. Trotzdem aber wird es gleichzeitig gemacht – immer mit dem Argument, Bachelor-Studierende brauchen das, und dann kommen eben ganz furchtbare Dinge raus. Eine Schizophrenie unseres Fachs ist, dass wir auf der einen Seite ein Theoriebewusstsein haben, dass bestimmte Dinge jetzt einfach nicht mehr gehen, und dann werden die aber trotzdem wieder gemacht mit dem Argument, das sei irgendwie für die Studierenden wichtig.“ (aus Buschmeier 2011, S. 426)

Walter Erhart: „Einerseits fordern viele […] von der Literaturgeschichtsschreibung, sie solle ›endlich‹ wieder normativ und kritisch sein, eine Kanonbefragung initiieren und leitende Ideen entwerfen […]; andererseits gibt es zugleich das Unbehagen und die Skepsis gegenüber der großen Erzählung.“

(aus Buschmeier 2011, S. 440)

Ernst Osterkamp: „Literaturgeschichte ist für mich nur möglich als ein hochkomplexes, theoretisch reflektiertes Unternehmen, das mit allen Parametern, die wir benannt haben – als Geschichtstheorie, Selbstreflexion des historischen Standorts des Schreibenden, Literaturgeschichte im Spannungsfeld von Literaturwissenschaft und Literaturkritik – arbeitet, um zu einem neuen Bild der Literaturgeschichte zu gelangen.“ (aus Buschmeier 2011, S. 430)

Friedmar Apel: „[…] [Aus der Literaturgeschichte] müsste […] hervorgehen, auf welche Weise sich das Geschichtliche in einem spezifischen Verhältnis von Form und Inhalt objektiviert. Also, wie sind diese beiden Momente qualifiziert zur Geltung zu bringen? Dann würde aber ich doch fragen, wer soll’s denn letztendlich lesen, wo wir so oft gehört haben, was wir alles nicht lesen. An Leser müssten wir ja denken.“ (aus Buschmeier 2011, S. 436)

literaturgeschichten.de: Vor dem Hintergrund dieser durchaus berechtigten Einwände sei an dieser Stelle noch einmal daran erinnert, welche Funktionen und Leistungen der Literaturgeschichte ihren einst so prominenten Platz gesichert haben. Die narrative Gestaltung von Literaturgeschichten macht es beispielsweise möglich, historische Phänomene und Objekte in Konstellationen miteinander zu bringen, sodass sie sich gegenseitig erhellen.

Joseph Vogl: „Literaturgeschichte fordert dazu auf, die Ereignishaftigkeit, d.h. die Singularität von Literatur dort aufzusuchen, wo sich in der historischen Zeit die Aktualität der Lektüre zur Darstellung bringt.“ (aus Buschmeier 2011, S. 424)

Claudia Öhlschläger: „Die Beschäftigung mit Literaturgeschichte ermöglicht es, in literarischen Texten das Verhältnis von Tradition, Transformation und Innovation im Kontext historischer und kultureller Gegebenheiten zu verstehen.“

Michael Scheffel: „Auch wenn sie die Lust und Last des eigenen Lesens von Literatur nicht ersetzen: Literaturgeschichten sind grundlegend für das Erkennen historischer Zusammenhänge – und sie ermöglichen uns eine Orientierung über Vieles, das wir womöglich nicht wissen und kennen, aber noch lernen und entdecken können.“

literaturgeschichten.de: Literarische Texte machen auch Alteritätserfahrungen möglich.

Margreth Egidi: „Die Auseinandersetzung mit Literaturgeschichte und mit literarischen Texten historisch fremder Kulturen führt uns – wie in einem fernen Spiegel – über die Erfahrung kultureller Fremdheit zu Erkenntnissen über unsere Kultur, zur Einsicht in die Relationalität aller kulturellen Parameter und zur Selbstreflexion der eigenen Geprägtheit.“

Wolfgang Lukas: „Literarische Texte der Vergangenheit konfrontieren uns mit anderen Modellen des Handelns, Denkens, Empfindens und Redens. Literaturgeschichte ist eine Begegnung mit dem Fremden, die uns unsere eigene Gegenwart verstehen hilft und die unschätzbare Möglichkeit gibt, uns und unsere eigene Kultur als historisch relativ und kontingent zu begreifen.“

literaturgeschichten.de: Daneben haben literarische Texte auch eine dialogische Funktion. Sie eröffnen Kommunikationskanäle in vergangene Zeiten und begründen gleichermaßen auch neue Erinnerungskulturen.

Klaus-Michael Bogdal: „Die Literaturgeschichte, wenn sie denn eine Form des Erinnerns sein soll, müsste einen Kommunikationszusammenhang innerhalb bestimmter sozialer Einheiten und Institutionen herstellen, in dem über Epochen, Werke und Autoren gesprochen – oder geschwiegen – wird. In diesem Übergang von Literaturgeschichtsschreibung und Kommunikation erst würde für mich Literaturgeschichte entstehen.“ (aus Buschmeier 2011, S. 434)

Norbert Eke: „Literaturgeschichte ist nicht einfach die ‚kleine Schwester‘ der allgemeinen Geschichtsschreibung. Sie ist, was Shakespeare vom Schauspieler sagt: abgekürzte Chronik des Zeitalters. Indem sie systematisch-methodisch den Prozess der literarischen Kommunikation in allen seinen Facetten betrachtet, öffnet sie ein Verständnis dafür, dass ästhetische Formungstendenzen immer auch Spiegel kultureller Formierungstendenzen sind.“

literaturgeschichten.de: Interdisziplinäre Vergleiche mit weiteren Darstellungsformen erweitern diesen Kommunikationskanal noch.

Monika Schmitz-Emans: Literarische und bildliche Darstellungen lassen sich beide in analoger Weise auf eine zu rekonstruierende Geschichte der menschlichen Wahrnehmung und Darstellung beziehen.“ (aus Schmitz-Emans 2014, S. 125)

literaturgeschichten.de: Auch aus didaktischer Perspektive ist Literaturgeschichte essentiell: Literarhistorische Phänomene können in zeitliche und räumliche Ordnungen gebracht werden.

Anne-Rose Meyer: „Literatur ist ein faszinierendes Universum, das nie vollständig ausgeleuchtet werden kann. Die Beschäftigung mit seiner Geschichte macht Sternenbilder sichtbar – Beziehungen zwischen Werken und Menschen, Konstellationen in Raum und Zeit, Vorstellungen vom Schönen in einem bestimmten Moment. Die dunklen Bereiche weiter zu erforschen und die hellen genau zu kartographieren, ist unser Ziel.“

Kai Kauffmann: „Das Interessante an Literaturgeschichte oder Literaturgeschichtsschreibung als Form des Denkens und Schreibens liegt doch darin, dass man eigentlich doch pragmatisch viele unterschiedliche Sphären, um nicht zu sagen, Diskurse oder Systeme, miteinander verknüpft und da spielt Plausibilität eine wesentliche Rolle. Es muss überzeugen, das lässt sich theoretisch nicht einholen, aber es muss irgendwie überzeugen im Sinne einer hermeneutischen Vermittlung.“ (aus Buschmeier 2011, S. 437)

literaturgeschichten.de: Was wir festhalten können: Literarhistorisches Arbeiten ist immer auch Bestandteil literaturwissenschaftliches Arbeiten und hat weiterhin Relevanz.

Martina Wagner-Egelhaaf: „Allein die Vorstellung, dass auf etwas Vorausliegendes, nämlich die Literaturgeschichte, zugegriffen werden kann, ermöglicht dem Literaturwissenschaftler/der Literaturwissenschaftlerin die Arbeit, d. h. die Entwicklung neuer Fragestellungen, Bezüge und Bedeutungszusammenhänge. Genau dieser Modus der operativen Fiktion Literaturgeschichte hält die Literaturwissenschaft arbeitsfähig, ja mehr noch, er ist im eigentlichen Sinne produktiv, vermutlich gerade wegen seiner Kontingenz – und wegen seiner Latenzen.“ (aus Wagner-Egelhaaf 2014, S.95)

Meinolf Schumacher: „Gerade der Umgang mit der Literatur des Mittelalters zeigt: Es spricht nicht gegen ein Konzept von Literaturgeschichte, dass wir oft keinen klaren Anfang benennen können. Und erst recht nicht, dass wir nicht wissen, worauf sie hinauslaufen wird. Literaturgeschichte ist nie eine gradlinige Geschichte; sie ist eine von Kontinuitäten und von Brüchen. Und diese Brüche, die meist am interessantesten sind, die bemerken wir überhaupt nur, wenn wir uns bewusst machen, was es mit den Kontinuitäten auf sich hat.“

Maximilian Benz: „Literaturgeschichtsschreibung – was für ein Kompositum! Und um wieviel komplizierter ist die Sache selbst, die neben der Editorik doch zu den vorzüglichen Aufgaben jeder Philologie gehört. Die Abfolge literarischer Werke in ihren je eigenen Kontexten zu rekonstruieren: Das ist recht eigentlich, was man Interpretation nennt.“

Andrea Polaschegg: „Literaturhistorische Prozesse lassen jede Sehnsucht nach Zwangsläufigkeit und Alternativlosigkeit recht verlässlich vor die Wand fahren. Insofern war Literaturgeschichte wohl nie so wertvoll wie heute.“