I. Friedrich Schillers „Maria Stuart“
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Historische Kontextualisierung 1800-1900
I. Friedrich Schillers „Maria Stuart“
II. Johann Wolfgang Goethes „Faust I/II“
III. Heinrich von Kleists „Die Hermannsschlacht“
IV. Christian Dietrich Grabbes „Napoleon oder Die hundert Tage“
VI. Johann Nestroys „Freiheit in Krähwinkel“
VII. Friedrich Hebbels „Maria Magdalena“
VIII. Gerhart Hauptmanns „Der Biberpelz“
IX. Arthur Schnitzlers „Reigen“
Das Gesamtkunstwerk im 19. Jahrhundert
Drama 1800-1900: Kursübergreifende große Schreibaufgaben
Seit 1782 beschäftigte sich Friedrich Schiller mit dem historischen Stoff um die schottische Königin Maria Stuart aus dem Haus der Tudors: Er setzte sich unter anderen intensiv mit ihrer Prozessakte auseinander, die er William Camdens „Annales Rerum Gestarum Angliae et Hiberniae Regnate Elizabetha“ (1615) entnehmen konnte. Wiederholte Erkrankungen, andere Schreibprojekte, aber auch Zweifel, wie dem komplizierten historischen Stoff dramaturgisch beizukommen sei, verzögern die Niederschrift, die Schiller erst nach der Beendigung des „Wallenstein“ in Angriff nimmt. So fällt die eigentliche Entstehungszeit des Dramas erst in die Jahre 1799-1800. Nach seiner Fertigstellung wurde das Stück am 14. Juni 1800 am Weimarer Hoftheater uraufgeführt. Bis 1817 kam es noch zu 36 weiteren Aufführungen. „Maria Stuart“ war damit für Schiller ähnlich erfolgreich wie der „Dom Carlos“ (1787) und „Wallsteins Tod“ (1799) (vgl. Vonhoff 2011, S. 153-155).
Im Kern geht es in „Maria Stuart“ um den Streit zwischen der protestantisch-englischen Königin Elisabeth I. und der katholisch-schottischen Königin Maria Stuart, deren Hinrichtung unmittelbar bevorsteht. Durch die „Euripidische Methode“, wie Schiller in einem Brief vom 26. April 1799 an Goethe schreibt, ist es ihm möglich, den Konflikt zwischen den beiden Frauen ins Zentrum zu stellen. Die komplizierten und verwickelten Geschehnisse, die zur Verurteilung Maria Stuarts geführt hatten, werden in die „vorausgegange[…] Vorgeschichte“ (von Wiese 1978, S. 711) verlegt. Damit hatte Schiller den dramatischen Kniff gefunden, um den Stoff gestalten zu können.
In der weiteren Ausgestaltung folgt das Drama primär den Regeln des französischen Klassizismus’, der mit den Namen Pierre Corneille und Jean Baptiste Racine verbunden wird. Das betrifft unter anderem die aristotelischen Einheiten von Zeit, Ort und Handlung und den Einsatz von Verssprache. Daher wird das Stück „Maria Stuart“ häufig als klassisches Drama bezeichnet, welches sich durch eine kalkulierte Architektonik und durch einen „klassischen Stil- und Formwillen“ auszeichnet (Luserke-Jaqui 2005, S. 299).
Darüber hinaus knüpft das Stück an die Tradition des Märtyrerdramas an, in dem Maria Stuart überwiegend im 17. und 18. Jahrhundert zur Hauptfigur wird. Zu den ersten ‚Stuart-Tragödien‘ zählt etwa Christoph Kormats „Maria Stuart oder gemarterte Majestät“ (1673).
Epochengeschichtlich fällt das Stück in die Weimarer Klassik, eine literaturgeschichtliche Bezeichnung für die Zeitspanne zwischen Goethes Italienreise (1786) und Schillers Tod (1805) (vgl. Buschmeier/Kauffmann 2010, S. 8-11).
Als Textgrundlage zu „Maria Stuart“ dient die Ausgabe „Schiller Klassische Dramen“, herausgegeben von Luserke-Jaqui, 2008 als Taschenbuch im Deutschen Klassiker Verlag erschienen.
Karima Lanius
Zum Einstieg in das Drama
Informieren Sie sich vor der Lektüre von „Maria Stuart“ in einem ersten Schritt über den Begriff der Weimarer Klassik. Als Gegenüberstellung eignen sich aus Brenners Literaturgeschichte das fünfte Kapitel (Brenner 2011, S. 101-118) und der Beginn von Buschmeiers und Kauffmanns Einführung (Buschmeier/Kauffmann 2010, S. 7-12). Um in das Drama „Maria Stuart“ einzusteigen, informieren Sie sich zur Entstehung des Dramas im Kommentar von Luserke-Jaqui zu „Schiller. Klassische Dramen“ (Schiller 2008, S. 536-559).
Hören Sie vor der Lektüre von Schillers Drama „Maria Stuart“ den Podcast von Norbert Otto Eke, der das Stück im Kontext der (Weimarer) Klassik verortet.
Figurencharakterisierung
Achten Sie bei der Lektüre darauf, wie die einzelnen Charaktere dargestellt werden. Welche Eigenschaften kann man Ihnen zuschreiben? In welcher Beziehung stehen die Charaktere zueinander? Als Orientierung können Sie den Auszug zu den Begriffen „Person“, „Figur“, „Charakter“ und „Typus“ aus der „Einführung in die Dramenanalyse“ (Asmuth 2016, S. 90-93) heranziehen.
Dramatis personae
Zur Visualisierung Ihrer Ergebnisse können Sie Flinga oder Lucidchart verwenden.
Die Abgabe einer fotografierten Handzeichnung ist ebenfalls möglich.
Von der Fokussierung auf die Figurencharakterisierung möchten wir nun Ihre Aufmerksamkeit auf die Merkmale des ‚aristotelischen Dramas‘ verlagern. Die „Poetik“ des Aristoteles (ca. 384-322 v. Chr.) hat die europäische Dramenkonzeption seit ihrer ‚Wiederentdeckung‘ im 14. Jahrhundert beeinflusst. Das betrifft besonders die Affekten- und Katharsislehre, die Lehre von den drei Einheiten von Handlung, Zeit und Ort, das Figurenpersonal bzw. die daraus abgeleitete Standesregel, die für das geforderte „aptum“ (Angemessenheit) einzuhaltende Stilhöhe (das „genus grande/sublime“ im System der „genera dicendi“) sowie die damit verbundene Ausdifferenzierung der dramatischen Gattungen.
Aristotelisches Drama
Lesen Sie den Eintrag zu den Begriffen des Aristoteles von Stenzel im „Handbuch Drama“ (Stenzel 2012, S. 12-31). Zur unterschiedlichen Rezeption der aristotelischen und antiken Poetiken im 18. Jahrhundert informiert sie der Artikel „Literarische Gattungstheorie“ (Buschmeier 2018, S. 495-513).
Schauen Sie sich als Ergänzung und Hintergrundinformation zur antiken Tragödie auch folgendes Video an:
Tragödienkonzeption
Überlegen Sie, inwiefern sich Schiller in der „Maria Stuart“ an der aristotelischen Tragödienkonzeption orientiert.
- Wie ist die Handlung aufgebaut? Wie konzentriert wird die Handlung dargestellt? Auf welchen Zeitraum erstreckt sich die Handlung? Und an welchen Orten spielt die Handlung? Wie werden Handlung, Zeit und Ort miteinander verzahnt?
- Kann man im Sinne des Aristoteles‘ von der Einheit der Handlung sprechen?
- Woraus resultiert Ihrer Meinung nach das Tragische in der „Maria Stuart“?
Neben den aristotelischen Einheiten von Handlung, Zeit und Ort beeinflusst Schiller die „Euripidische Methode“, wie er selbst in einem Brief vom 26. April 1799 an Goethe erwähnt:
„Indeßen habe ich mich an eine Regierungsgeschichte der Königin Elisabeth gemacht und den Prozeß der Maria Stuart zu studieren angefangen. Ein paar tragische Hauptmotive haben sich mir gleich dargeboten und mir großen Glauben an diesen Stoff gegeben, der unstreitig sehr viel dankbare Seiten hat. Besonders scheint er sich zu der Euripidischen Methode, welche in der vollständigen Darstellung des Zustandes besteht, zu qualifizieren.“
Aus diesem Briefauszug erfährt man, dass Schiller sich ausgiebig mit der Geschichte Englands auseinander gesetzt hat. Hören Sie sich daher zunächst den Podcast zur englischen Geschichte an:
WDR-Zeitzeichen zu: Maria Stuart, Königin von Schottland (Todestag 08.02.1587)
Nachdem Sie sich den Podcast angehört/angesehen haben, drängt sich die Frage auf, wie Schiller mit dem historischen Stoff umgeht. Bildet er diesen Stück für Stück ab oder verändert er die historischen Gegebenheiten? Wenn ja, könnte dies mit der im Brief genannten „Euripidischen Methode“ zusammenhängen?
Zur Vorbereitung auf die folgende Aufgabe diskutieren Sie noch einmal in Ihrer Gruppe folgende Frage:
Konflikte
Welche Konflikte werden thematisiert? Achten Sie darauf, welche konfessionellen Probleme auftreten, wie sich das Geschlechterverhältnis darstellt, welche Handlungsmöglichkeiten in den jeweiligen Ständen problematisiert werden.
Da durch die „Euripidische Methode“ die Konzentration in „Maria Stuart“ nicht auf der Handlung, sondern besonders auf den Charakteren liegt, wurde/wird das Stück in der Forschung auch als ‚Charakterdrama‘ (Vonhoff 2011, S. 156-160). bezeichnet. Im Sinne des Begriffs ‚Charakterdrama‘ entwickelt sich Maria und nimmt ihr Schicksal an. Erneut zeigt sich, dass der Schwerpunkt auf dem Leiden der Protagonistin liegt. Dadurch greift Schiller eine Thematik auf, die schon vor ihm das Sujet von mehr als 50 Dramen bildete und bereits eine reiche Tradition in der barocken Märtyrertragödie hatte. An Schillers Umgang mit der Stofftradition in seinem Drama lässt sich zum einen das Hereinwirken der barocken Märtyrertragödie in die deutsche Klassik, zum anderen die idealisierende klassische Umgestaltung beispielhaft verdeutlichen.
Vergegenwärtigen Sie sich daher erneut das Zusammentreffen mit Elisabeth (3. Aufzug, 4. Auftritt). Schauen Sie dabei, wie die Charaktere Maria Stuart und Elisabeth dargestellt werden.
Streitgespräch zwischen Maria und Elisabeth
Sammeln Sie gemeinsam die Hauptpunkte des Streitgespräches zwischen Maria und Elisabeth. Reformulieren Sie das Gespräch in Dialogform in Ihren eigenen Worten. Nutzen Sie dafür kollaborative Tools wie Flinga oder Padlet und laden Sie Ihr Ergebnis als PDF-Datei hoch.
Noch am Ende des 4. Auftritts des 3. Aufzugs schließt Maria wütend: „Der Thron von England ist durch einen Bastard / Entweiht, der Briten edelherzig Volk / Durch eine list‘ge Gauklerin betrogen.“ (V. 2447-2449) Doch im 7. Auftritt des 5. Aufzugs beichtet sie ihre Sünden und äußert deutlich „Ich fürchte keinen Rückfall. Meinen Haß / Und meine Liebe hab‘ ich Gott geopfert.“ (V. 3761-3762).
Märtyrertragödie?
Überlegen und diskutieren Sie daher gemeinsam, ob Maria Stuart im Sinne der Märtyrertragödien einen Märtyrertod stirbt. Um Ihre Ergebnisse festzuhalten, verfassen Sie einen Eintrag im Forum (ca. 500 Wörter).