E.T.A Hoffmann: "Die Bergwerke zu Falun" (1819)
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Die Bergwerke zu Falun“ ist eine Erzählung, die E.T.A Hoffmann eigens für den ersten Band seiner insgesamt vier Bände umfassenden Erzählsammlung „Die Serapions-Brüder“ (Ersterscheinungen: 1819–1821) im Dezember 1818 anfertigte. Sie ist daher eng mit diesem Kontext verknüpft. In der Erzählsammlung finden sich neben „Die Bergwerke zu Falun“ einige der bekanntesten Texte von E.T.A Hoffmann, wie zum Beispiel: „Nußknacker und Mausekönig“ oder „Das Fräulein von Scuderi“.
1818 fasste Hoffmann mit seinem Verleger Reimer den Plan, eine von bereits erschienenen und durch neue Erzählungen ergänzte Sammlung herauszugeben. Diese wird zunächst im Ostermeßkatalog für literarische Neuerscheinungen 1818 unter dem Titel „Die Seraphinen-Brüder. Gesammelte Erzählungen und Märchen. Herausgeben von E.T.A. Hoffmann“ angekündigt. Im Vorwort zu den „Serapions-Brüdern“ erklärt Hoffmann deren Entstehung durch eine „Aufforderung des Herrn Verlegers, daß der Herausgeber seine in Journalen und Taschenbüchern verstreuten Erzählungen und Märchen“ (Hoffmann 2008, S. 11) mit einigen neuen Produktionen zu einer Erzählsammlung zusammen stellen solle. Damit verweist Hoffmann auf eine zu Beginn des 19. Jahrhunderts und insbesondere für sein Werk gängige Praxis der Mehrfachverwertung von Erzählstücken. Besonders beliebt waren dabei die literarischen Almanache, Taschenkalender und -bücher, die den Autor:innen so ein erstes, schnell ausgezahltes Honorar und dann in der Nachfolge ein zweites Entgelt eines weiteren Verlegers für die Erzählsammlung einbringen konnten. Ein Copyright im modernen Sinne, das eine solche Zweitverwertung unter Umständen untersagt hätte, gab es zu Beginn des 19. Jahrhunderts nämlich noch nicht (vgl. Bosse 2014). Die Erzählsammlung war daher auch eine Möglichkeit durch die Anreicherung von Herausgebertexten unautorisierten Raubdrucken eine durch die Autor:innen legitimierte Fassung entgegenzustellen.
Mit dem Titel „Die Serapions-Brüder“ knüpft Hoffmann die Sammlung an einen für seine Berliner Zeit wichtigen Kreis von Freunden. Diese kamen bereits kurz nach Hoffmanns Rückkehr nach Berlin Ende September 1814 zu gesellig-literarischen Abenden zusammen. Hoffmann benannte den Kreis offenbar bei der ersten Zusammenkunft nach dem Namenstag des Hl. Seraphinus von Montegranaro. Damit wäre der Beginn des ‚Seraphinenordens‘ auf den 12. Oktober 1814 zu datieren. Zu den Seraphinenbrüdern gehörten der Jurist und Arbeitskollege Hoffmanns am Berliner Kammergericht Julius Eduard Hitzig, der Schriftsteller und Arzt David Ferdinand Koreff, der Staatsrat Theodor Gottlieb von Hippel, der Dichter und spätere Weltreisende Adelbert von Chamisso, die Schriftsteller Friedrich de la Motte-Fouqué und Carl Wilhelm Salice-Contessa sowie der Schauspieler und treue Zechbruder Hoffmanns Ludwig Devrient. Für die Fertigstellung des ersten Bandes der Erzählsammlung (wie auch für alle weiteren Bände) hatte Hoffmann von seinem Verleger Reimer großzügige Vorschüsse erhalten. Einen dieser Vorschüsse nutzte er im November 1818 dazu, den alten Freundeskreis anlässlich der Rückkehr Chamissos von seiner Weltreise zu sich nach Hause einzuladen. Die Freunde erinnerten sich des früheren Kreises und erneuerten ihren Bund nach dem im Kalender vom Hoffmanns Frau Marianne genannten Heiligen dieses 14. Novembers: dem Mönch und Märtyrer Serapion aus dem 12. Jahrhundert. Diese biographische Reminiszenz hat Hoffmann ganz offensichtlich zur Vorlage der Rahmenkonstruktion der „Serapions-Brüder“ genommen, ohne dass sich die Figuren des Rahmens biographisch eindeutig zuordnen ließen (dazu vgl. Kommentar, Hoffmann 2001/2008, S. 1243f.).
Der Stoff für seine Erzählung „Die Bergwerke zu Falun“ war zu Hoffmanns Lebzeiten bereits mehrfach aufgegriffen und bearbeitet worden. Der intradiegetische Erzähler Theodor selbst weist als Quelle auf den Bericht in dem von Hoffmann stark rezipierten und für die romantische Naturphilosophie einflussreichen Werk „Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft“ (1808) von Gotthilf Heinrich Schubert hin. 1810 fügte Achim von Arnim in der vierten Abteilung des zweiten Bandes seines Romans „Armut, Reichthum, Schuld und Buße der Gräfin Dolores“ dem Stoff das Motiv der grausamen Königin der Unterwelt in der Gedichteinlage „Des ersten Bergmanns ewige Jugend“ hinzu. Eine weitere kanonisch gewordene Bearbeitung des Stoffes veröffentlichte Johann Peter Hebel im aufklärerisch gesinnten Land- und Volkskalender „Der Rheinländische Hausfreund“ 1811 unter dem Titel „Unverhofftes Wiedersehen“ (vgl. Selbmann 2000). Des Weiteren greift Hoffmann auf eine Vielzahl von romantischen Motiven zurück. Zentral sind dabei Texte, in denen der Bergbau zu einem Symbol romantischer Welt- und Wissensaneignung wird (vgl. Elm 1991). Zu nennen sind hier etwa „Heinrich von Ofterdingen“ (1800/1802) und die „Die Lehrlinge zu Sais“ (1799/1802) von Novalis alias Friedrich von Hardenberg sowie die Erzählung „Der Runenberg“ (1804) von Ludwig Tieck. Hoffmann arbeitete aber auch etliche andere Wissensbestände um 1800 in seinen Text mit ein. So ist für E.T.A Hoffmanns literarische Konzeption von Träumen Gotthilf Heinrich Schuberts „Die Symbolik des Traumes“ (1814) einflussreich gewesen. Seine Kenntnis der Geographie und Geologie des schwedischen Bergbaus entnimmt er unter anderen dem fünften Band von Johann Friedrich Ludwig Hausmanns aufklärerischem Bericht „Reise durch Skandinavien in den Jahren 1806 und 1807“ (1818) sowie Ernst Moritz Arndts „Reise durch Schweden im Jahre 1804“ (1806).
Der Erzählstoff ist medial um 1800 in der Spannung zwischen der volksaufklärerischen Situierung als Kalendergeschichte wie bei Hebel, der kurzen Anekdote bei Schubert, und seiner romantischen Schauerinszenierung in einer Erzählsammlung bei Hoffmann verortet. Der in der Erzählung behandelte Stoff wanderte zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch verschiedene Gattungs- und Medienregime, die jeweils entscheidend für seine ästhetische Funktionalisierung werden. Literarisch wirkte der Text im 19. Jahrhundert von Friedrich Hebbels Erzählung „Treue Liebe“ (1828) über zu Richard Wagners Opernentwurf von 1841/42 bis zu Hugo von Hofmannsthals Jugenddrama „Das Bergwerk zu Falun“ (1899) weiter (Friedmann 1887, Lorenz 1914).
Matthias Buschmeier
Textgrundlage:
Lesen Sie nun die Widmung an August Wilhelm Schlegel, die Ludwig Tieck seinem Phantasus voranstellt. Diskutieren Sie kurz, warum Hoffmann die Leser:innen seiner Sammlung auffordert, keinen Vergleich zwischen den beiden Erzählsammlungen anzustellen.
Versuchen Sie nun herauszufinden, was ein „Philister“ ist. Dabei kann Ihnen sehr gut die Einleitung zum Band „Philister. Problemgeschichte einer Sozialfigur der neueren deutschen Literatur“ helfen.
Lesen Sie nun die Rahmenstücke S. 36-39; S. 64-71 und S. 123-128 und hören Sie im Anschluss den Podcast zum „Serapiontischen Prinzip“. Diskutieren Sie in Ihrer Gruppe, was unter diesem Prinzip zu verstehen ist.
Diskutieren Sie folgende Fragen:
- Welchen Eindruck macht der alte Bergmann auf Elis?
- Warum hat Elis die Lust auf die Seefahrt eingebüßt?
- Welche Wirkung entfaltet des Bergmanns Erzählung vom Bergbau (S. 215f.) auf Elis?
1814 veröffentlichte Gotthilf Heinrich von Schubert seine Schrift „Symbolik des Traumes“. Dieser Text war, ähnlich wie sein Buch „Ansichten von den Nachtseiten der Naturwissenschaft“ (1808), aus der Hoffmann die entscheidende Anregung für den Stoff seiner Erzählung erhielt, diesem gut vertraut. Schubert entwirft in seinem Buch eine romantische Theorie des Traumes, in der Traumgeschehen- und -sprache mit der Sprache prophetischer Offenbarung, den kombinatorischen Prozessen des Unterbewusstseins und der Sprache der Poesie in Verbindung gebracht wird. Im Traum verknüpfen sich die daher polygenetische Erfahrungen der Menschen als Wesen in der Natur mit ontogenetischen Erlebnissen des Individuums. Der Traum eröffnet bei Schubert den Zugang zu entzogenen Schichten der Weltschöpfung. Ausdruck finden diese Verknüpfungen für Schubert vor allem in der Traumbildlichkeit der Natur. Träumende, wie Propheten und Dichter haben aufgrund ihrer analogen Erkenntnisweisen Zugang zu diesem Wissen. Romantische Seelenkunde und Naturphilosophie ruhen auf einer holistisch-harmonisierenden Einheitsvorstellung der Allverbundenheit alles Lebendigen auf, die selbst oder gerade in der toten und anorganischen Natur wie in einem Buch zu lesen ist.
Lesen Sie zu einer kleinen Vertiefung den Text im E.T.A Hoffmann Portal. Wenn Sie Lust haben, werfen Sie auch einen Blick in Schuberts Werk.
Lesen Sie nun sorgfältig den Traum Elis‘ (S. 216f.). Diskutieren Sie folgende Fragen:
- In welchem Verhältnis stehen die See und der Bergbau in diesem Traum?
- An was erinnert die eigentlich anorganische Welt in der Tiefe?
- In welchem Verhältnis stehen Innen- und Außenwelt? Wie stehen im Folgenden Traumwelt und reale Welt für Elis im Verhältnis zueinander? Wofür könnte die Tiefe des Berges hier eine symbolische Konfiguration sein?
Das Motiv einer Königin, die tief im Inneren eines Berges (Hoffmann) bzw. auf einem Berggipfel (Tieck) haust, und zu der ein fremder Bergmann dem Protagonisten den Weg weist, wird von Ludwig Tieck in seiner Erzählung „Der Runenberg“, die 1804 erstmals im „Taschenbuch für Kunst und Laune“ erschien und dann 1812 in der Erzählung „Phantasus“ wieder publiziert wurde, in die romantische Literatur eingeführt.
Lesen Sie die folgende kurze Passage:
„Der junge Jäger war nicht verwundert, er verdoppelte nur seine Schritte nach dem Runenberge zu, alles winkte ihm dorthin, die Sterne schienen dorthin zu leuchten, der Mond wies mit einer hellen Straße nach den Trümmern, lichte Wolken zogen hinauf, und aus der Tiefe redeten ihm Gewässer und rauschende Wälder zu und sprachen ihm Mut ein. Seine Schritte waren wie beflügelt, sein Herz klopfte, er fühlte eine so große Freudigkeit in seinem Innern, daß sie zu einer Angst emporwuchs. – Er kam in Gegenden, in denen er nie gewesen war, die Felsen wurden steiler, das Grün verlor sich, die kahlen Wände riefen ihn wie mit zürnenden Stimmen an, und ein einsam klagender Wind jagte ihn vor sich her. So eilte er ohne Stillstand fort, und kam spät nach Mitternacht auf einen schmalen Fußsteig, der hart an einem Abgrunde hinlief. Er achtete nicht auf die Tiefe, die unter ihm gähnte und ihn zu verschlingen drohte, so sehr spornten ihn irre Vorstellungen und unverständliche Wünsche. Jetzt zog ihn der gefährliche Weg neben eine hohe Mauer hin, die sich in den Wolken zu verlieren schien; der Steig ward mit jedem Schritte schmaler, und der Jüngling mußte sich an vorragenden Steinen festhalten, um nicht hinunterzustürzen. Endlich konnte er nicht weiter, der Pfad endigte unter einem Fenster, er mußte stillstehen und wußte jetzt nicht, ob er umkehren, ob er bleiben solle. Plötzlich sah er ein Licht, das sich hinter dem alten Gemäuer zu bewegen schien. Er sah dem Scheine nach, und entdeckte, daß er in einen alten geräumigen Saal blicken konnte, der wunderlich verziert von mancherlei Gesteinen und Kristallen in vielfältigen Schimmern funkelte, die sich geheimnisvoll von dem wandelnden Lichte durcheinander bewegten, welches eine große weibliche Gestalt trug, die sinnend im Gemache auf und nieder ging. Sie schien nicht den Sterblichen anzugehören, so groß, so mächtig waren ihre Glieder, so streng ihr Gesicht, aber doch dünkte dem entzückten Jünglinge, daß er noch niemals solche Schönheit gesehn oder geahnet habe. Er zitterte und wünschte doch heimlich, daß sie zum Fenster treten und ihn wahrnehmen möchte. Endlich stand sie still, setzte das Licht auf einen kristallenen Tisch nieder, schaute in die Höhe und sang mit durchdringlicher Stimme: […] Als sie geendigt hatte, fing sie an sich zu entkleiden, und ihre Gewänder in einen kostbaren Wandschrank zu legen. Erst nahm sie einen goldenen Schleier vom Haupte, und ein langes schwarzes Haar floß in geringelter Fülle bis über die Hüften hinab; dann löste sie das Gewand des Busens, und der Jüngling vergaß sich und die Welt im Anschauen der überirdischen Schönheit. Er wagte kaum zu atmen, als sie nach und nach alle Hüllen löste; nackt schritt sie endlich im Saale auf und nieder, und ihre schweren schwebenden Locken bildeten um sie her ein dunkel wogendes Meer, aus dem wie Marmor die glänzenden Formen des reinen Leibes abwechselnd hervorstrahlten. Nach geraumer Zeit näherte sie sich einem andern goldenen Schranke, nahm eine Tafel heraus, die von vielen eingelegten Steinen, Rubinen, Diamanten und allen Juwelen glänzte, und betrachtete sie lange prüfend. Die Tafel schien eine wunderliche unverständliche Figur mit ihren unterschiedlichen Farben und Linien zu bilden; zuweilen war, nachdem der Schimmer ihm entgegenspiegelte, der Jüngling schmerzhaft geblendet, dann wieder besänftigten grüne und blau spielende Scheine sein Auge: er aber stand, die Gegenstände mit seinen Blicken verschlingend, und zugleich tief in sich selbst versunken. In seinem Innern hatte sich ein Abgrund von Gestalten und Wohllaut, von Sehnsucht und Wollust aufgetan, Scharen von beflügelten Tönen und wehmütigen und freudigen Melodien zogen durch sein Gemüt, das bis auf den Grund bewegt war: er sah eine Welt von Schmerz und Hoffnung in sich aufgehen mächtige Wunderfelsen von Vertrauen und trotzender Zuversicht, große Wasserströme, wie voll Wehmut fließend. Er kannte sich nicht wieder, und erschrak, als die Schöne das Fenster öffnete, ihm die magische steinerne Tafel reichte und die wenigen Worte sprach: »Nimm dieses zu meinem Angedenken!« Er faßte die Tafel und fühlte die Figur, die unsichtbar sogleich in sein Inneres überging, und das Licht und die mächtige Schönheit und der seltsame Saal waren verschwunden. Wie eine dunkele Nacht mit Wolkenvorhängen fiel es in sein Inneres hinein, er suchte nach seinen vorigen Gefühlen, nach jener Begeisterung und unbegreiflichen Liebe, er beschaute die kostbare Tafel, in welcher sich der untersinkende Mond schwach und bläulich spiegelte.
Noch hielt er die Tafel fest in seinen Händen gepreßt, als der Morgen graute und er erschöpft, schwindelnd und halb schlafend die steile Höhe hinunterstürzte. –
Die Sonne schien dem betäubten Schläfer auf sein Gesicht, der sich erwachend auf einem anmutigen Hügel wiederfand.“
Wirkung der Königinnen
- Identifizieren Sie Ähnlichkeiten der Wirkung der Königinnen bei Tieck und Hoffmann auf die Protagonisten. Welche Semantik wird mit der Figur der Königin verbunden? [Diskutieren]
- Versuchen Sie die Auswirkung des Traums auf Elis zu beschreiben. Gibt es innerhalb der Erzählung eine Begründung für die Trauminhalte?
Widmen Sie sich nun der Beschreibung der Tagesöffnung der Erzgrube, von der Hoffmann, wie die Fußnote angibt, aus einer populären Reisebeschreibung Kenntnis hat. Vergleichen Sie die Schilderung in Hausmanns Reisebericht mit der Darstellung bei Hoffmann. Analysieren Sie, worin Ähnlichkeiten und Unterschiede bestehen. Welche Dimension fehlt in Hausmanns Vorlage gänzlich? Welche Parallele zieht – wie bereits in seinem Traum – Elis?
Lesen Sie den Abschnitt (S. 223f.), in dem Elis an die Türe des Person Dalsjö kommt, genau. Tritt er sofort ein? Welches Wort wird mehrfach wiederholt? Diskutieren Sie, warum.
Wie kommt es, dass Elis trotz des Traumes und trotz der negativen Wahrnehmung der Grube sich dann für den Bergbau entscheidet? Wie deutet er selbst seinen Traum? Wie und als was wird Ulla beschrieben? Vergleichen Sie diese Semantik mit der Beschreibung der Grube bei der Ankunft von Elis.
Diskutieren Sie nun, worin nach Aussage des alten Bergmanns, den Elis meint im Schacht wiedergetroffen zu haben, dessen Frevel besteht.
Als was für eine Figur erscheint der alte Torbern in dem Bericht der Sage durch den Obersteiger? Erinnern Sie sich an die Beschreibung des Grubeneingangs. Wie erscheinen Elis die Grube und die Bergleute, als er von der fingierten Verlobung Ullas erfährt?
Was passiert, als Elis daraufhin in den Berg einfährt? Wie erscheint ihm diese Unterwelt jetzt? Diskutieren Sie, welche Funktion der Rekurs auf den Traum aus Göteburg an dieser Stelle haben könnte.
Notieren Sie kurz die Veränderung, die an Elis nach seiner Rückkehr an das Tageslicht wahrzunehmen ist.
Erinnern Sie sich an die Ausführungen Schuberts, in denen die Naturbilder des Traums als eine Chiffrenschrift, als Hieroglyphen einer größeren Offenbarung beschrieben werden. Diskutieren Sie, warum Hoffmann dieses Motiv nun hier aufnimmt. Beziehen Sie dabei auch Elis‘ Worte an Ulla kurz vor ihrer Hochzeit mit ein. Warum fährt Elis ausgerechnet am Hochzeittags wieder ein?
Lesen Sie den folgenden Text. Diskutieren Sie den Unterschied zwischen Elis und dem Bergmann, wie er bei Novalis erscheint.
In Novalis‘ Roman „Heinrich von Ofterdingen“ (1799) wird ebenfalls ein alter Bergmann eingeführt, der dem jungen Heinrich die Faszination des Bergbaus nahebringt. Lesen Sie die folgende kurze Passage aus dem fünften Kapitel des ersten Teils des Romans:
„Voll fröhlicher Erwartungen setzte ich meinen Weg fort, und konnte nicht aufhören, den neuen bedeutungsvollen Gruß mir beständig zu wiederholen. Ich fand einen alten, ehrwürdigen Mann, der mich mit vieler Freundlichkeit empfing, und, nachdem ich ihm meine Geschichte erzählt, und ihm meine große Lust, seine seltne, geheimnißvolle Kunst zu erlernen, bezeugt hatte, bereitwillig versprach, mir meinen Wunsch zu gewähren. Ich schien ihm zu gefallen, und er behielt mich in seinem Hause. Den Augenblick konnte ich kaum erwarten, wo ich in die Grube fahren und mich in der reitzenden Tracht sehn würde. Noch denselben Abend brachte er mir ein Grubenkleid, und erklärte mir den Gebrauch einiger Werkzeuge, die in einer Kammer aufbewahrt waren.
Abends kamen Bergleute zu ihm, und ich verfehlte kein Wort von ihren Gesprächen, so unverständlich und fremd mir sowohl die Sprache, als der größte Theil des Inhalts ihrer Erzählungen vorkam. Das Wenige jedoch, was ich zu begreifen glaubte, erhöhte die Lebhaftigkeit meiner Neugierde, und beschäftigte mich des Nachts in seltsamen Träumen. Ich erwachte bey Zeiten und fand mich bey meinem neuen Wirthe ein, bey dem sich allmählich die Bergleute versammelten, um seine Verordnungen zu vernehmen. Eine Nebenstube war zu einer kleinen Kapelle vorgerichtet. Ein Mönch erschien und las eine Messe, nachher sprach er ein feyerliches Gebet, worinn er den Himmel anrief, die Bergleute in seine heilige Obhut zu nehmen, sie bey ihren gefährlichen Arbeiten zu unterstützen, vor Anfechtungen und Tücken böser Geister sie zu schützen, und ihnen reiche Anbrüche zu bescheeren. Ich hatte nie mit mehr Inbrunst gebetet, und nie die hohe Bedeutung der Messe lebhafter empfunden. Meine künftigen Genossen kamen mir wie unterirdische Helden vor, die tausend Gefahren zu überwinden hätten, aber auch ein beneidenswerthes Glück an ihren wunderbaren Kenntnissen besäßen, und in dem ernsten, stillen Umgange mit den uralten Felsensöhnen der Natur, in ihren dunkeln, wunderbaren Kammern, zum Empfängniß himmlischer Gaben und zur freudigen Erhebung über die Welt und ihre Bedrängnisse ausgerüstet würden. Der Steiger gab mir nach geendigtem Gottesdienst eine Lampe und ein kleines hölzernes Krucifix, und ging mit mir nach dem Schachte, wie wir die schroffen Eingänge in die unterirdischen Gebäude zu nennen pflegen. Er lehrte mich die Art des Hinabsteigens, machte mich mit den nothwendigen Vorsichtigkeitsregeln, so wie mit den Namen der mannichfaltigen Gegenstände und Theile bekannt. Er fuhr voraus, und schurrte auf dem runden Balken hinunter, indem er sich mit der einen Hand an einem Seil anhielt, das in einem Knoten an einer Seitenstange fortglitschte, und mit der andern die brennende Lampe trug; ich folgte seinem Beispiel, und wir gelangten so mit ziemlicher Schnelle bald in eine beträchtliche Tiefe. Mir war seltsam feyerlich zu Muthe, und das vordere Licht funkelte wie ein glücklicher Stern, der mir den Weg zu den verborgenen Schatzkammern der Natur zeigte. Wir kamen unten in einen Irrgarten von Gängen, und mein freundlicher Meister ward nicht müde meine neugierigen Fragen zu beantworten, und mich über seine Kunst zu unterrichten. Das Rauschen des Wassers, die Entfernung von der bewohnten Oberfläche, die Dunkelheit und Verschlungenheit der Gänge, und das entfernte Geräusch der arbeitenden Bergleute ergötzte mich ungemein, und ich fühlte nun mit Freuden mich im vollen Besitz dessen, was von jeher mein sehnlichster Wunsch gewesen war. Es läßt sich auch diese volle Befriedigung eines angebornen Wunsches, diese wundersame Freude an Dingen, die ein näheres Verhältniß zu unserm geheimen Daseyn haben mögen, zu Beschäftigungen, für die man von der Wiege an bestimmt und ausgerüstet ist, nicht erklären und beschreiben. Vielleicht daß sie jedem Andern gemein, unbedeutend und abschreckend vorgekommen wären; aber mir scheinen sie so unentbehrlich zu seyn, wie die Luft der Brust und die Speise dem Magen. Mein alter Meister freute sich über meine innige Lust, und verhieß mir, daß ich bey diesem Fleiße und dieser Aufmerksamkeit es weit bringen, und ein tüchtiger Bergmann werden würde. Mit welcher Andacht sah ich zum erstenmal in meinem Leben am sechzehnten März, vor nunmehr fünf und vierzig Jahren, den König der Metalle in zarten Blättchen zwischen den Spalten des Gesteins. Es kam mir vor, als sey er hier wie in festen Gefängnissen eingesperrt und glänze freundlich dem Bergmann entgegen, der mit soviel Gefahren und Mühseligkeiten sich den Weg zu ihm durch die starken Mauern gebrochen, um ihn an das Licht des Tages zu fördern, damit er an königlichen Kronen und Gefäßen und an heiligen Reliquien zu Ehren gelangen, und in geachteten und wohlverwahrten Münzen, mit Bildnissen geziert, die Welt beherrschen und leiten möge. Von der Zeit an blieb ich in Eula, und stieg allmählich bis zum Häuer, welches der eigentliche Bergmann ist, der die Arbeiten auf dem Gestein betreibt, nachdem ich anfänglich bey der Ausförderung der losgehauenen Stufen in Körben angestellt gewesen war. […]
Herr, sagte der Alte, indem er sich zu Heinrichen wandte, und einige Thränen aus den Augen trocknete, der Bergbau muß von Gott gesegnet werden! denn es giebt keine Kunst, die ihre Theilhaber glücklicher und edler machte, die mehr den Glauben an eine himmlische Weisheit und Fügung erweckte, und die Unschuld und Kindlichkeit des Herzens reiner erhielte, als der Bergbau. Arm wird der Bergmann geboren, und arm gehet er wieder dahin. Er begnügt sich zu wissen, wo die metallischen Mächte gefunden werden, und sie zu Tage zu fördern; aber ihr blendender Glanz vermag nichts über sein lautres Herz. Unentzündet von gefährlichem Wahnsinn, freut er sich mehr über ihre wunderlichen Bildungen, und die Seltsamkeiten ihrer Herkunft und ihrer Wohnungen, als über ihren alles verheißenden Besitz. Sie haben für ihn keinen Reiz mehr, wenn sie Waaren geworden sind, und er sucht sie lieber unter tausend Gefahren und Mühseligkeiten in den Vesten der Erde, als daß er ihrem Rufe in die Welt folgen, und auf der Oberfläche des Bodens durch täuschende, hinterlistige Künste nach ihnen trachten sollte. Jene Mühseeligkeiten erhalten sein Herz frisch und seinen Sinn wacker; er genießt seinen kärglichen Lohn mit inniglichem Danke, und steigt jeden Tag mit verjüngter Lebensfreude aus den dunkeln Grüften seines Berufs. Nur Er kennt die Reize des Lichts und der Ruhe, die Wohlthätigkeit der freyen Luft und Aussicht um sich her; nur ihm schmeckt Trank und Speise recht erquicklich und andächtig, wie der Leib des Herrn; und mit welchem liebevollen und empfänglichen Gemüth tritt er nicht unter seines Gleichen, oder herzt seine Frau und Kinder, und ergötzt sich dankbar an der schönen Gabe des traulichen Gesprächs!
Sein einsames Geschäft sondert ihn vom Tage und dem Umgange mit Menschen einen großen Theil seines Lebens ab. Er gewöhnt sich nicht zu einer stumpfen Gleichgültigkeit gegen diese überirdischen tiefsinnigen Dinge und behält die kindliche Stimmung, in der ihm alles mit seinem eigenthümlichsten Geiste und in seiner ursprünglichen bunten Wunderbarkeit erscheint. Die Natur will nicht der ausschließliche Besitz eines Einzigen seyn. Als Eigenthum verwandelt sie sich in ein böses Gift, was die Ruhe verscheucht, und die verderbliche Lust, alles in diesen Kreis des Besitzers zu ziehn, mit einem Gefolge von unendlichen Sorgen und wilden Leidenschaften herbeylockt. So untergräbt sie heimlich den Grund des Eigenthümers, und begräbt ihn bald in den einbrechenden Abgrund, um aus Hand in Hand zu gehen, und so ihre Neigung, Allen anzugehören, allmählich zu befriedigen.
Wie ruhig arbeitet dagegen der arme genügsame Bergmann in seinen tiefen Einöden, entfernt von dem unruhigen Tumult des Tages, und einzig von Wißbegier und Liebe zur Eintracht beseelt. Er gedenkt in seiner Einsamkeit mit inniger Herzlichkeit seiner Genossen und seiner Familie, und fühlt immer erneuert die gegenseitige Unentbehrlichkeit und Blutsverwandtschaft der Menschen. Sein Beruf lehrt ihn unermüdliche Geduld, und läßt nicht zu, daß sich seine Aufmerksamkeit in unnütze Gedanken zerstreue. Er hat mit einer wunderlichen harten und unbiegsamen Macht zu thun, die nur durch hartnäckigen Fleiß und beständige Wachsamkeit zu überwinden ist. Aber welches köstliche Gewächs blüht ihm auch in diesen schauerlichen Tiefen, das wahrhafte Vertrauen zu seinem himmlischen Vater, dessen Hand und Vorsorge ihm alle Tage in unverkennbaren Zeichen sichtbar wird. Wie unzähliche mal habe ich nicht vor Ort gesessen, und bey dem Schein meiner Lampe das schichte Krucifix mit der innigsten Andacht betrachtet! da habe ich erst den heiligen Sinn dieses räthselhaften Bildnisses recht gefaßt, und den edelsten Gang meines Herzens erschürft, der mir eine ewige Ausbeute gewährt hat.
Der Alte fuhr nach einer Weile fort und sagte: Wahrhaftig, das muß ein göttlicher Mann gewesen seyn, der den Menschen zuerst die edle Kunst des Bergbaus gelehrt, und in dem Schooße der Felsen dieses ernste Sinnbild des menschlichen Lebens verborgen hat. Hier ist der Gang mächtig und gebräch, aber arm, dort drückt ihn der Felsen in eine armselige, unbedeutende Kluft zusammen, und gerade hier brechen die edelsten Geschicke ein. Andre Gänge verunedlen ihn, bis sich ein verwandter Gang freundlich mit ihm schaart, und seinen Werth unendlich erhöht. Oft zerschlägt er sich vor dem Bergmann in tausend Trümmern: aber der Geduldige läßt sich nicht schrecken, er verfolgt ruhig seinen Weg, und sieht seinen Eifer belohnt, indem er ihn bald wieder in neuer Mächtigkeit und Höflichkeit ausrichtet. Oft lockt ihn ein betrügliches Trum aus der wahren Richtung; aber bald erkennt er den falschen Weg, und bricht mit Gewalt querfeldein, bis er den wahren erzführenden Gang wiedergefunden hat. Wie bekannt wird hier nicht der Bergmann mit allen Launen des Zufalls, wie sicher aber auch, daß Eifer und Beständigkeit die einzigen untrüglichen Mittel sind, sie zu bemeistern, und die von ihnen hartnäckig vertheidigten Schätze zu heben.“
Die Erzählung ist durch etliche Oppositionspaare strukturiert. Erstellen Sie ein Schaubild, aus dem diese Oppositionen hervorgehen und ordnen Sie die jeweiligen Aspekte innerhalb der Erzählung den jeweiligen Polen zu.
Diskutieren Sie abschließend, ob die Figur des Elis bei Hoffmann als Repräsentant einer emphatisch gedachten romantischen Naturphilosophie und -religion (wie bei Schubert und Novalis) gelesen kann. Diskutieren Sie auch, inwiefern die Entscheidung dieser Frage Auswirkungen auf die literaturgeschichtliche Positionierung Hoffmanns haben könnte.
Lesen Sie nun nochmals das abschließende Gespräch der Serapionsbrüder über die Erzählung und beantworten folgende Fragen:
- Wie wird die Erzählung von den Figuren des Erzählrahmens bewertet?
- Wer vertritt dazu welche Position?
- Was für eine Art von Erzählung wird im Anschluss angekündigt? Gibt es einen Zusammenhang?
Wenn Sie nun auf die Erzählsammlung „Die Serapionsbrüder“ zurückblicken, was erscheint Ihnen daran romantisch? Diskutieren Sie in Ihrer Gruppe und notieren Sie sich Ihre zentrale Argumente.