Historische Kontextualisierung
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Eine zentrale Voraussetzung für die Entwicklung im 19. Jahrhundert ist der fundamentale Umbruch, die der literarische Markt erlebt. Der Buchmarkt vergrößerte sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts aus mehreren Gründen: Immer mehr Menschen verfügten über eine gewisse Schulbildung, konnten folglich lesen und schreiben und wurden so zu potentiellen Käufern von Druckerzeugnissen. 5% der 23 Millionen Menschen in den deutschen Staaten können zu Anfang des 19. Jahrhunderts als ständige Leser:innen bezeichnet werden, Tendenz stark steigend.
Diese Veränderungen bauen auf wichtigen sozialen und technischen Veränderungen auf, die eine solche Expansion erst möglich werden ließen: der Ausbau des Postwesens, der den Buch- und Zeitschriftenversand verbilligte und beschleunigte, die Nutzung von Zellulose in der Papierherstellung, die dieses verbilligte, technologische Innovationen wie die Einführung der mit Druckzylinder und Dampfpresse ausgestatteten Schnelldruckpressen (1811 in London entwickelt) und Papiermaschinen (1818 erstmalig in Berlin aufgestellt), die Erfindung von Falz- und Gießmaschinen (1851 bzw. 1860) und der Rotationsdruckmaschine (1863); all dies führte dazu, die Trägermedien der Literatur zu verbilligen und diese zu einem Massenprodukt zu machen. Den neuen technischen Möglichkeiten folgte umgehend ein Ausbau der Infrastruktur zur Distribution von Literatur.
Dampf-Zylinderdruckmaschine, Bild von vor 1900, 2005
Zwischen 1800 und 1832 stieg die Zahl der registrierten Buchhandlungen im deutschen Sprach- und Kulturraum, die bereits im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts einen enormen Aufschwung erfahren hatte, (vgl. Martino 1990, 152–153). Es gab immer mehr Salons, Lesezirkel, Lesevereine und Leihbibliotheken, die als wichtige Distributionsinstanzen fungierten und literarische Innovationen mit vorantrieben. So steht der Aufstieg der Journallesezirkel in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Romanfeuilletons. Von 1848-1890 verdoppelte sich durch die weitere Verbesserung der allgemeinen Schulbildung auch die Zahl der Lesekundigen auf etwa 90 Prozent der Gesamtbevölkerung. Zudem stieg der Wohlstand. Es kommt daher zu einer Expansion des Adressatenkreises, was zur Einbeziehung kleinbürgerlicher und bäuerlicher Kreise sowie zunehmend auch der Arbeiterschaft in das mit dem Lesen verbundene bürgerliche Kommunikationssystem führt. Verständlichkeit und erschwingliche Preise bildeten die neuen Maximen der aufstrebenden Marktsektoren.
Der Aufschwung der Verlage und des Buchhandels, die zunehmende Liberalisierung von Handel und Gewerbe und die nun relativ niedrigen Herstellungskosten für Buchreihen und Zeitschriften schafften die Voraussetzungen für die Produktion erschwinglicher Massenliteratur. Beispielhaft für diese Entwicklung ist die Buchreihe mit dem sprechenden Namen „Meyers Groschenbibliothek der Deutschen Classiker“, die der Verleger Carl Joseph Meyer zwischen 1848-1854 in 365 Bänden im thüringschen Hildburghausen herstellen ließ. Somit ist also auch dieses Gebiet, der Buch- und Zeitschriftenmarkt, durch Innovationsschübe und durch die Expansion kapitalistischer Strukturen, durch die Professionalisierung, Rationalisierung und Optimierung von Herstellungs- und Vertriebswegen tiefgreifend geprägt.
Wenngleich diese Ausweitung des Publikums bedeutete, dass der literarische Markt zielgruppenspezifische Angebote entwickelte, so ist für das 19. Jahrhundert eine erstaunliche Homogenität der favorisierten Lesegattungen konstatiert worden. Und auch wenn der Zugang des Publikums zur Literatur an unterschiedlichen Orten erfolgte, so ist das, was sie dort jeweils suchten und fanden, recht ähnlich, nämlich vor allem Romane und Novellen. Doch nicht immer werden aktuelle Romane von den Leser:innen des 19. Jahrhunderts gekauft. Etablierten sich meist in den Städten einerseits so ‚vornehme‘ Literatur-Institute, in denen Angehörige adliger oder gutbürgerlicher Schichten, sich mit nahezu neuen und oft edel gebundenen Ausgaben versorgen konnten, entstehen andererseits zeitgleich auch eine Vielzahl von Volks- und Arbeiterbibliotheken oder die sogenannten ‚Winkelleihbibliotheken‘, die oft von Spirituosen- und Tabakhändlern betrieben wurden. Während sich also die Orte des Zugangs zur Literatur stratifikatorisch voneinander unterschieden und so die sozialen Verhältnisse der Gesellschaft spiegelten, ist der Bestand in diesen Leihbibliotheken oft erstaunlich ähnlich (Jäger 1977).
Eine weitere wichtige Distributionsform von gedruckter Literatur war das Kolportage-System, das bereits im 18. Jahrhundert bestanden hatte, nun aber ebenfalls stark ausgeweitet wurde. Mussten die Nutzer:innen der Leihbibliotheken sich selbst auf den Weg machen, um an ihr Buch oder ihre Zeitschrift zu kommen, so reiste der Kolporteur übers Land und versuchte Zeitschriftensubskriptionen oder Bücherbestellungen direkt von Haus zu Haus einzuwerben. Dafür führten sie eine Auswahl bestimmter Titel zur Ansicht mit sich, die dann später durch Laufburschen zugestellt wurden. Der Kolportage-Buchhandel lebte davon, seine Produkte möglichst billig anzubieten. Diese Distributionsform hat denn auch ein eigenes Genre hervorgebracht: den Kolportage-Roman, der in 50-150 Lieferungen von acht bis zehn Seiten zu einem günstigen ‚Abopreis‘ vertrieben wurde. Die Kombination von billiger, oft minderwertiger Ausstattung und bestimmter Genres wie der beliebten Schauerromane, die sich gut absetzen ließen, hat dazu geführt, die so vertriebene Literatur als „Schundliteratur“ zu bezeichnen; erfolgreich war sie trotzdem (vgl. Storim 2002). In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden schätzungsweise 800-1000 solcher Romane in Umlauf gesetzt, die z.T. erhebliche Auflagenzahlen erreichten (Martino 1982, 60), populäre Autoren wie Karl May partizipierten an diesem Vertriebssystem. Die Praxis der Kolportage war dabei nicht unumstritten. In Bayern etwa wurde sie 1853 durch Erlass untersagt (Barth 1982, 82). Gegen Ende des Jahrhunderts wurden nahezu nur noch Zeitschriften im Kolportage-System vertrieben, der Vertrieb von Büchern wurde zunehmend im Versand abgewickelt. Die Post, über die man die Titel auch direkt beziehen konnte, übertraf zur Jahrhundertwende den Absatz sowohl des stationären Handels als auch den der Kolportage (Barth 1982, 83).
Unbekannt: Der Hausirer (19. Jahrhundert), Fotografie, 2007
Eine Besonderheit stellte für das 19. Jahrhundert der Vertrieb von klassischen Autoren dar. Im Jahr 1867 erlosch der Verlagsschutz für Autor:innen, die vor mehr als 30 Jahren verstorben waren. Etliche Verlage warfen daraufhin Klassiker-Ausgaben in den unterschiedlichsten Varianten und Ausstattungen auf den Markt. Das bekannteste Unterfangen dieses „Klassiker-Jahres“ existiert bis heute in jeder Schule und auf jedem studentischen Schreibtisch. Der Philipp Reclam Verlag veröffentlichte 1867 den ersten Band seiner zunächst auf 35 Bände angelegten „Universal-Bibliothek“: Goethes „Faust“. 1870 wurde mit dem Urheberrecht und 1901 mit dem Verlagsrechtsgesetz eine neue juristische Grundlage geschaffen, die es erschwerte, billige Nachdrucke kurz nach dem Tod oder gar noch zu Lebzeiten von Autor:innen auf den Markt zu bringen.
Matthias Buschmeier
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Die Expansion des industriellen Kapitalismus veränderte nicht nur tiefgreifend das Leben breiter Bevölkerungsschichten, sondern auch das literarische Leben im 19. Jahrhundert. Abgesehen von wenigen Schriftstellern wie etwa Willibald Alexis, Eduard Mörike, Karl von Holtei, Otto Ludwig , die Pensionen ihrer Landesherren erhielten, mussten sich Autor:innen als quasi selbständige Unternehmer mit ihrer ‚Ware‘ auf dem Buchmarkt behaupten. Alleine von den Verkaufserlösen konnten die meisten aber nicht leben, da noch 1855 etwa 90 Prozent des literarisch interessierten Publikums Lesestoff aus Leihbibliotheken bezogen. Die wichtigste und ergiebigste Einnahmequelle für Autor:innen waren Zeitschriften und andere serielle Publikationsmedien wie Almanache und Taschenkalender. Diese bezahlten verhältnismäßig großzügige Honorare und hatten aufgrund hoher Auflagen eine große Breitenwirkung. Exemplarisch hierfür ist die 1853 gegründete Familienzeitschrift „Gartenlaube“, die in den 1860er Jahren bereits eine Auflage von 135.000 Exemplaren hatte. Für sie schrieben u.a. Friedrich Scheffel, Felix Dahn, Wilhelm Raabe, Theodor Storm, Paul Heyse, Theodor Fontane und Marie von Ebner-Eschenbach. Weitere auflagenstarke Titel waren die „Deutsche Rundschau“, in der Fontane, Storm und von Ebner-Eschenbach ebenfalls publizierten, sowie der „Grenzbote“ und der „Deutsche Hausschatz“. Für Jungen wurde „Der gute Kamerad“ gedruckt, das Pendant für Mädchen war „Das Kränzchen“.
Titelblatt der „Das Kränzchen“, Stuttgart: Wilhelm Spemann (1896) [li.}
Titelblatt der „Der Gute Kamerad“, Stuttgart: Wilhelm Spemann (1887) [re.]
Außerdem gab es – in Deutschland verstärkt seit den 1880er Jahren – Zeitungen, die eigens für diesen Publikationsort produzierte Romane in Fortsetzungen brachten. Eines der frühesten Beispiele stellt der Feuilletonroman „Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski“ von Georg Weerth dar, der vom 8. August 1848 bis zum 21. Januar 1849 in Fortsetzung in der „Neuen Rheinischen Zeitung“ erschien. Die hervorragende Stellung, die der Novelle spätestens ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zukommt, ist u.a. dadurch begründet, dass diese Form (zusammen mit dem Roman) in den Leihbibliotheken, Taschenbüchern und Zeitschriften, die den literarischen Massenkonsum steuerten, sehr gefragt waren. Diese Entwicklung konnte auch auf die Schreibweisen zurückwirken: So lassen sich sowohl bei Novellen als auch bei den Feuilleton- oder Zeitungsromanen stilistische und strukturelle Gemeinsamkeiten mit den Pressenachrichten nachweisen. Wie weitreichend eine solche Beeinflussung durch den medialen Kontext für die ästhetische Gestaltung der Texte war, ist aber nach wie vor eine Frage, die in der Forschung unterschiedlich beantwortet wird.
Matthias Buschmeier
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Das besonders starke Interesse an Büchern – nicht nur an relativ seichter Unterhaltungsliteratur – vor allem seitens der Frauen lässt sich u.a. dadurch erklären, dass ihnen – anders als Männern – der Zugang zu Hochschulen verwehrt war und die überwiegende Mehrheit nicht nur durch mangelnde finanzielle Möglichkeiten, sondern auch durch starke Vorurteile und eine damit verbundene klare ‚Ausbildungslinie‘ in der Schule meist stark in ihren Bildungschancen eingeschränkt war. Lesen war eine der wenigen Möglichkeiten zur Selbstbildung, wurde aber auch als Mittel der Volksaufklärung verstanden, etwa in Taschenkalendern für Bauern, in denen neben praktischen Tipps für den agrarischen Anbau auch moralische Erzählungen eingebunden waren. Insofern wird das 19. Jahrhundert bisweilen auch als das eigentliche Jahrhundert der Aufklärung verstanden. Denn wo im 18. Jahrhundert Aufklärung ein Projekt der wenigen ist, findet eine breitere Umsetzung der in diesem Zuge entwickelten Ideen erst im 19. Jahrhundert statt. Es formierte sich, nach Jürgen Habermas (Habermas 1962), eine bürgerliche Öffentlichkeit, die einen größeren Pluralismus der Stimmen kennt, als noch der aufklärerische Elitendiskurs im 18. Jahrhundert. Frauen nutzten zunehmend auch den Zeitungsmarkt, um sich gesellschaftlich-öffentliche Schreiborte für die eigenen Interessen zu schaffen. Ein Beispiel ist die Gründung der „Frauenzeitung“ im Frühjahr 1849 durch die Schriftstellerin und Mitbegründerin der deutschen Frauenbewegung Louise Otto-Peters. Die Zeitung mit dem Untertitel „Ein Organ für die höheren weiblichen Interessen“ wurde zum Publikationsort für sozialkritische Frauen und wirkte in die Revolutionsjahre hinein.
nterstützt wurde diese Entwicklung durch die besondere Wertschätzung, die zunächst Autor:innen des Vormärz dem Schreiben in Prosaform entgegenbrachten. So lobte etwa der Schriftsteller Ludolf Wienbarg in seinen 1834 erschienen „Ästhetischen Feldzügen“ ausdrücklich, dass die zeitgenössischen Dichter „prosaischer“ geworden seien, sich an ein breites Publikum richteten und sich verstärkt einer „gewöhnlichen“ Sprache bedienten. Doch postulierte er hier nicht nur eine erste Hinwendung zu dem, was später unter „realistischen Schreibweisen“ gefasst werden wird, sondern er betonte auch die politische Aufgabe des Schriftstellers, der seine „Person und Rechte“ in einer repressiven Gesellschaft besser in Prosa verteidigen könne als in Versen. Und er ist nicht der Einzige: Bereits am 11. November 1828 hatte Heinrich Heine in einem Brief an Gustav Kolb verkündet: „Journale sind unsere Festungen“ (HSA XX, 289) und damit nicht nur die Wichtigkeit einer möglichst freien Presse betont, sondern auch die einer aufgeklärten und aufklärenden politischen Publizistik. Viel gelesene Publikationsmedien wurden im 19. Jahrhundert zu einem Forum der Öffentlichkeit, das es Autor:innen ermöglichte, ihre politischen und sozialkritischen Ansichten einem breiteren Publikum zu vermitteln. Dies zeigen z.B. die in verschiedenen Kulturzeitschriften erschienenen Dorfgeschichten und Erzählungen Marie von Ebner-Eschenbachs. Und der für seine „Schwarzwälder Dorfgeschichten“ berühmte Autor Berthold Auerbach diskutierte in seinem „Volks-Kalender“ die soziale Frage als Kampf ums Bürgerrecht Aller.
Titelblatt von „Berthold Auerbachs deutscher Volks-Kalender“, Stuttgart/Augsburg: Cotta (1859)
Die erzählende Literatur war auch ein einflussreicher Faktor bei Konflikten zwischen Regierung und Untertanen: Seit 1815 verstärkte sich der Wunsch des erstarkenden Bürgertums nach mehr Mitbestimmung. Angesicht mangelnder Möglichkeiten aktiver politischer Partizipation der Bevölkerungsmehrheit erlangten vor allem Philosophie, Wissenschaft und Literatur größere Bedeutung für die weltanschauliche Selbstpositionierung des Bürgertums, das sich in Vereinen und Gruppen versammelte. Eine bürgerliche Kultur entstand, die bis heute in den Namensgebungen von Sportvereinen (z.B. Eintracht Frankfurt), Männergesangsvereinen (Concordia) und Studentenverbindungen (Germania) sichtbar ist und in der sich der Wunsch nach einer liberal-demokratischen Verfasstheit eines deutschen Nationalstaates artikulierte. In der bürgerlichen Geselligkeitskultur waren biedermeierliche Rückzugsidyllen wie die Artikulation von politischen Forderungen gleichermaßen präsent.
Matthias Buschmeier
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Literatur diente im 19. Jahrhundert neben der politischen Artikulation und Selbstverständigung ebenso der Unterhaltung. Hatte das 18. Jahrhundert die Literatur und das Erzählen weitgehend noch für die Moraldidaxe oder die ästhetisch-kulturelle Bildung funktionalisiert, so tritt nun neben die politische Inanspruchnahme, vor allem der Lyrik, die Unterhaltung als Zweck von Erzählprosa, denn ein immer größer werdender Teil der Bevölkerung verfügte über nennenswerte freie Zeit, die nicht mit Erwerbsarbeit gefüllt war. Mit der Leserschaft differenzierte sich die Verlagslandschaft und damit die Publikationsmöglichkeiten für Literatur weiter aus und nehmen gegenüber dem 18. Jahrhundert in der Menge deutlich zu: In großer Zahl erschienen etwa Erzähltexte nicht nur in den erwähnten Kalendern, Anthologien, Taschenbüchern, in Erzählsammlungen, in Form von Kolportageliteratur und Bilderbögen, sondern auch „unter dem Strich“, also in den Feuilletons der sich schlagartig vermehrenden Tageszeitungen. Besonders die Zahl unterschiedlich ausgerichteter Zeitschriften und Journale wuchs und bot weitere Veröffentlichungs- und damit Verdienstmöglichkeiten. Standen auf der einen Seite also Leser:innen, die unterhalten werden wollten, so auf der anderen Seite Autor:innen, die nun versuchten, sich ihren Unterhalt als freie Schriftsteller:innen zu verdienen und zu diesem Zweck einen sich öffnenden literarischen Markt sehr genau beobachteten und bedienten.
Insbesondere in den Unterhaltungs- und Familienblättern, wie z.B. der „Gartenlaube“, „Über Land und Meer“ oder der Leipziger „Illustrierten Zeitung“, wurden an das Gebot der Unterhaltung dezidierte Schreibanweisungen für die verständliche, abwechslungsreiche Gestaltung von Texten durch die Redaktionen gebunden. So kam es zuweilen zu einer Verpflichtung auf regelmäßige Spannungsbögen, überschaubare Fabeln und kompatible Genres, wie z.B. der Novelle. Dieser Prozess von Anpassungen an den Geschmack des Publikums führte zu einem allgemeinen Popularisierungsprozess der Literatur als Unterhaltungsmedium.
Titelblatt von „Die Gartenlaube“, Leipzig: Ernst Keil (1853)
In den Erzählungen wurden aber auch die neuen sozialen Bedingungen, unter denen Literatur entstand, thematisiert und reflektiert: Beispielsweise der Alltag des Bürgertums, den die Schriftsteller des sog. Bürgerlichen Realismus bevorzugt schildern, sowie die Lebenssituation der unteren Schichten. Gesellschaft in ihrer Gesamtheit wurde ausführlich, das heißt unter Einbeziehung zahlreicher Details und anhand unterschiedlicher Milieus geschildert. Scheinbar Gewöhnliches, der Alltag, ist nun ebenso literaturwürdig wie Abenteuer an exotischen Schauplätzen in Texten von Erfolgsautoren wie Karl May. Der Realismus entwickelte dafür Erzählverfahren weiter, die es erlaubten die erzählte Welt reflektierend zu beobachten. Besonders prominent sind in dieser Hinsicht die paratextuellen Rahmungen der Erzählungen und die oftmals metadiegetischen Erzählebenen, wie sie z.B. in Theodor Storms „Der Schimmelreiter“ oder in Gottfried Kellers „Die Leute von Seldwyla“ zu finden sind. Neben Erzählverfahren, durch die oft mündliches Erzählen im schriftlich fixierten literarischen Text fingiert oder nachgeahmt wurden, reflektierten Autor:innen textintern immer wieder auch die veränderten Publikations- und Arbeitsbedingungen. Die Autor:innen des 19. Jahrhunderts thematisieren die Medialität literarischer Texte so verstärkt, weil diese die Produktion und Rezeption von Literatur massiver beeinflusste als jemals zuvor.
Matthias Buschmeier
Ergebnissicherung: Lernen und Erinnern
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Weiterführendes:
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