Andreas Gryphius: „Catharina von Georgien“
Navigationsmenü
Klicken Sie oben, um sich den Einleitungstext vorlesen zu lassen.
Folgt man den Aufzeichnungen von Baltzer Siegmund von Stosch, dem ersten Biographen von Andreas Gryphius, so wurde das Drama „Catharina von Georgien“ schon ein Jahr nach dem „Leo Armenius“ (1650) fertiggestellt (vgl. Stosch 1665, S. 37). Erschienen ist es dann 1657. Beide Dramen stützen sich auf historische Ereignisse: Im „Leo Armenius“ steht der Sturz des byzantinischen Kaisers Leo V. aus dem 9. Jahrhundert und in der „Catharina von Georgien“ das Schicksal der georgischen Königin Catharina, die im Jahr 1624 vom iranischen Schah Abbas I. hingerichtet wurde, im Zentrum. Inhaltlich hat sich Gryphius an der „Histoires tragiques de nostre temps“ von Claude Malingre orientiert, während er sich formal nach Nicolas Caussin oder Joost van den Vondel richtete. Aufgrund des niederländischen Einflusses ist das Stück u.a. in Abhandlungen und Reyen eingeteilt. Dem geschichtlichen Stoff bleibt Gryphius weitestgehend treu, wobei er beispielweise Catharina gleich zu Beginn als fromme Christin beschreibt, obwohl sie sich erst vor ihrer Hinrichtung als gläubige Katholikin darstellt. Gryphius legt folglich den Schwerpunkt auf Catharinas Martyrium (vgl. Harst 2016, S. 204-205 und Brenner 2011, S. 37-38). In der Forschung wird Gryphius’ „Cathrina von Georgien“ als Grundmodell für Märtyrerdramen dieser Zeit betrachtet, in welchem die Tugendidee des christlichen Neostoizismus mit der Vorstellung von der Vereinigung von Mensch und Gott als ‚via purgativa‘ kombiniert wird (vgl. Eke 2014, S. 37).
Nicola Kaminski hält fest, dass das Stück im Gegensatz zum „Leo Armenius“ eindeutige Aussagen trifft, indem beispielsweise die Dramenhandlung einem strengen moralischen Zweck dient, der den Vorgaben der aristotelischen „Poetik“ folgt (vgl. Kaminski 1998, S. 98). Nach Aristoteles wird in der Tragödie durch die Erzeugung von Mitleid (‚eleos‘) und Furcht (‚phobos‘) eine Reinigung von den Affekten/Leidenschaften (‚katharsis‘) bewirkt. Im 17. Jahrhundert wurde diese Wirkungsabsicht der Tragödie christlich-moralisch gedeutet, sodass man eine Reinigung der Affekte durch die Demonstration der Vergänglichkeit (‚vanitas‘) oder des Glückwechsels (‚fortuna‘) des Irdischen herbeiführen wollte. Dabei sollte dem Publikum auch der christliche Trost (‚consolatio‘) vor Augen geführt werden, dessen Fundament u.a. die Idee der stoischen Beständigkeit (‚constantia‘) bildete. Schicksalsschlägen, wie sie dem Publikum in der „Catharina“ vor Augen geführt werden, sollte mit Beständigkeit begegnet werden (vgl. Aurnhammer/Detering 2019, S. 188). Damit wird die Konzentration auf das Jenseits statt auf das Diesseits gelegt: Im Gegensatz zu Cach Abbas kontrolliert Catharina beständig ihre Affekte und erlangt so das Himmelreich.
Textgrundlage:
Andreas Gyphius: Cathatina von Georgien. Trauerspiel, hg. v. Alois M. Haas, Stuttgart: Reclam 2020.
Johann Gottfried Haid: Ewigkeit, um 1700
(Public Domain)
Das Stück selbst beginnt mit einem Monolog der personifizierten Ewigkeit, die auf einen Schauplatz „voll Leichen-Bilder / Cronen / Zepter / Schwerdter“ niedersteigt (Gryphius 2020, S.13-16, I, V. 1-88).
Monolog der Ewigkeit
Diskutieren Sie in der Gruppe, was als Hauptaussage der Ewigkeit gelten und wie der Monolog zur „Vorrede“ in Beziehung gesetzt werden kann. Folgende Fragen können Ihnen dabei helfen:
- Wofür steht die Ewigkeit inhaltlich ein? (s. insbesondere Gryphius 2020, S. 15-16, I, V. 68-75)
- Was ist für die Ewigkeit das einzig Beständige?
- Inwiefern ist Catharina nach der Beschreibung durch Gryphius in der Vorrede beständig/standhaft?
Argentorati : Heyden, 1616. – 37, 23 Bl., [16] Bl, Übersetzung nach Schöne, 1616, S. 21
(CC BY-SA 3.0 von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel)
Catharinas erster Auftritt in „Die erste Abhandelung“ beginnt mit einem Monolog.
Rekonstruktion
Rekonstruieren Sie:
- Was genau beklagt Catharina?
- Was musste sie erdulden und was hat Abas ihr angeboten?
Der Rosenzweig
Lesen Sie anschließend den Artikel zur ‚Rose‘ aus dem „Metzler Lexikon literarischer Symbole“:
- Für welche vier Komplexe kann die ‚Rose‘ stehen?
- In der „Ersten Abhandlung“ erhält Catharina durch ihre Bedienstete Salome einen Rosenzweig sowie eine Nachricht, sie könne aus der Gefangenschaft gerettet werden (Gryphius 2020, S. 22-26, I, V. 227-358).
- Doch wie deutet Catharina daraufhin den Rosenzweig?
- Welche Bedeutung kommt Ihrer Meinung nach dem Rosenzweig zu?
Bei der Interpretation hilft Ihnen zudem ein Blick in das Handbuch zur „Sinnbildkunst der 16. und. 17. Jahrhunderts“ (1967); insbesondere Sp. 289-304.
Der Dissenz
In der „Ersten Abhandelung“ treffen Catharina und Chach Abas erstmals aufeinander (Gryphius 2020, S. 39-43, I, V. 727-830):
- Worin besteht der Dissens zwischen den beiden?
- Welche Position vertritt Chach Abas, welche Catharina?
Nachdem Chach Abas in der dritten Abhandlung für sich entschieden hatte, Catharina Ehebett oder Tod anzubieten, erfährt Catharina in „Die Vierdte Abhandlung“ durch Imanculi von diesem Entschluss. Catharina lehnt das Angebot zur Eheschließung mit Chach Abas ab und muss daher ihre baldige Hinrichtung befürchten (Gryphius 2020, S. 84-91, IV, V. 80-264).
- Mit welchen Argumenten versucht Imanculi, sie von der Eheschließung zu überzeugen?
- Wie antwortet Catharina darauf?
- Können Sie einen Zusammenhang des Motivs der Beständigkeit mit der Grundfrage nach der Bedeutung von Affekten und ihrer Kontrolle herstellen?
- Wie bewerten Sie, dass es mit Catharina eine Frau ist, die in diesem Drama als vorbildliche Christin nicht Opfer ihrer Affekte wird?
„Standfestigkeit“, um 1590
(Public Domain)
Nach ihrer Hinrichtung erscheint Catharina Chach Abas und verwandelt somit das Tragödien-Ende der ‚weltlichen‘ Catharina in einen Triumph der ‚jenseitigen‘ Catharina (Gryphius 2020, S. 114-118, V, V. 345-448).
Diskutieren Sie:
- Von welchen Affekten wird Chach Abas nach der Hinrichtung Catharinas übermannt?
- Durch welche sprachlichen Bilder wird der Zusammenhang zwischen vormaliger Begierde und gegenwärtiger Verzweiflung bei Chach Abas ausgedrückt?
- Was prophezeit Catharina dem Abas?
Abas
Warum wohl muss Abas am Ende den „Tod stets […] liben“?
Gehen Sie dafür auch noch einmal zum „Reyen der Tugenden / deß Todes vnd der Libe“ zurück (Gryphius 2020, S. 97-100, V. 437-536).
Affektkontrolle bei Catharina
Gryphiusʼ Barockdrama „Catharina von Georgien“ präsentiert mit seiner titelgebenden Hauptfigur den Leser:innen nicht lediglich eine eindimensionale Version von ‚bewehreter Beständigkeit‘, sondern eine in ihrem Werdegang komplexe Figur, die durch ihre Affektvielfalt und -kontrolle beeindruckt.
Skizzieren Sie vor dem Hintergrund der von Ihnen analysierten Szenen die Bedeutung des Affektes Angst im Verhältnis zu Catharinas Affektkontrolle für ihre Handlungsmotivation. Wie verhält es sich im Kontrast dazu mit dem zentralen Affekt Zorn, der sich bei der Figur Chach Abas zeigt? Worin besteht der Unterschied zu Catharina? Schreiben Sie einen Text von ca. 300-400 Wörtern.